Interview mit Roy Matthes, Jugendleiter von 1860 München
Einblicke in die Jugendarbeit des TSV 1860 München
Mit Roy Matthes sprach Chefredakteurin Cornelia Tittmann. | ||
Sportali | Die finanziellen Turbulenzen haben sich erfreulicherweise bei den Löwen gelegt. Müssen Sie weiterhin auf Sparflamme kochen, oder setzen die neuen Geldgeber besonders auf die Jugendarbeit? Können beispielsweise neue Projekte angegangen werden? | |
Roy Matthes | Wir haben auch in dieser Saison nicht „auf Sparflamme gekocht“. Wir haben im Frühjahr 2010 die Saison 2010-2011 geplant und konnten diese zu 100% umsetzen, zum Beispiel mit der Einführung des Förderplantrainings die Trainingsqualität verbessern. Das einige Dinge, die wir gerne zusätzlich gemacht hätten, nicht angegangen werden konnten, hat uns nicht zurückgeworfen. | |
Sportali | Die neuen Geldgeber, besonders der jordanische Geschäftsmann Hasan Abdullah Ismaik soll sich mit den Verantwortlichen auf seinen Einstieg bei 1860 München geeinigt haben, was bedeutet das für ihr Leistungszentrum? | |
Roy Matthes | Zu dem Einstieg oder dem Stand der Verhandlungen mit Herrn Ismaik kann ich nichts sagen, die Gespräche laufen über Herrn Schneider und Herrn Schäfer. Ich bin aber überzeugt davon, dass auch in Zukunft die Jugendausbildung ein Aushängeschild in der Philosophie des TSV 1860 München einnehmen wird. Egal, wie die Verhandlungen ausgehen werden. | |
Sportali | Kommen wir zu einem anderen Thema. Mentale Stärke wird im modernen Fußball mehr an Bedeutung gewinnen. VfB Stuttgart nennt es im Jugendbereich Kopftraining, was plant oder was macht 1860 in dieser Richtung? | |
Roy Matthes | Mentales Training okay, was verstehen sie unter dem Begriff Kopftraining? | |
Sportali | Gewisse Spielsituationen im Kopf nachspielen lassen und mit Atemübungen Stress abbauen, um nur ein Bespiel zu nennen. | |
Roy Matthes | Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Autogenes Training machen wir beispielsweise nicht. Da gibt es einen relativ klaren Standpunkt im Nachwuchsleistungszentrum. Wir konzentrieren uns auf die fußballerischen Dinge, also auf die sportliche Ausbildung. Natürlich fließt die Sportpsychologie irgendwo mit hinein, wenn Spieler im Training immer super Leistungen bringen und im Spiel plötzlich versagen. Wenn Trainings- und Spielleistung sich derart unterscheidet, dann ist es vielleicht auch eine Kopfsache. Wir sagen aber auch, dass liegt im Verantwortungs- und Aufgabenbereich unserer Trainer. | |
Sportali | Sind ihre Trainer dafür ausgebildet? | |
Roy Matthes | Im Rahmen der Trainerausbildung ja. Wir haben sehr hohe Ansprüche an den Ausbildungsstatus unserer Trainer. Das heißt beispielsweise, ich habe ab der U13 aufwärts nur A-Lizenztrainer in der Verantwortung. | |
Sportali | Das heißt, sie schulen ihrer Trainer intern. Schicken sie zum Beispiel die Trainer auch mal nach Holland? | |
Roy Matthes | Ja, das muss man relativieren, wenn sie jetzt auf dieses Psychologie Thema kommen wollen. Dann muss ich sagen, das machen wir nicht mit unseren Trainern, wir schicken sie nirgendwo hin und sagen, jetzt beschäftige dich mal mit Sportpsychologie. Wenn er das selber macht oder im Rahmen seiner Ausbildung das Thema angeschnitten worden ist und er dafür sensibilisiert ist, dann nehmen wir das mit. Aber direkt schulen werden wir es nicht. Wir setzen bei Fortbildungen hauptsächlich auf sportliche Schwerpunkte. Wie bilde ich eine Viererkette, Flügelspiel, neue Schwerpunkte im Torwarttraining, also schon mehr was für den Körper und natürlich muss man auch sehen, dass es eine finanzielle Geschichte ist. Ein Sportpsychologe der einmal im Jahr vier Wochen mit einer Mannschaft arbeitet muss man erst mal finden. Sportpsychologen gibt’s wenige und erst recht wenig gute. Mir bringt es nichts, wenn ich jemand da draußen stehen habe und der mir sagt, dass Spieler XY jetzt vorbei geschossen hat, weil er im Kopf nicht bei der Sache war. Man muss auch sehen, das den Trainern es genommen wird, auf die Spieler einzuwirken. Das ist eine ganz entscheidende Traineraufgabe. Wenn ich dem Trainer sage, ein Spieler setzt sich jetzt mit dem Psychologen zusammen, um zu lernen, wie ich mich mental auf einen Elfmeter vorbereite, dann kann natürlich der Trainer es für nicht gut halten, weil er es selber kann. Es gab Trainer bei uns, die vor Jahren diese Erfahrung gemacht haben, als sie in anderen Profimannschaften gespielt haben, die einen Mentaltrainer engagierten. Die Psychologen haben mit den erwachsenen Spielern Bilder gemalt. Und jetzt sagen sie diesem Trainer, die U14 soll mit einem Psychologen zusammenarbeiten. Der gibt Ihnen zu verstehen, dass es damals ein Grauen war, Bilder malen zu müssen. Das werde ich mit meiner Mannschaft garantiert nicht machen. | |
Sportali | Fühlen Sie sich gegenüber den Eltern in der Verantwortung? Geht es so weit, dass sie vielleicht auch nach Hause zu den Spielern fahren? | |
Roy Matthes | Ja, grundsätzlich schon, wir bieten das jedem Spieler an. Nicht nur bei Spitzenspielern. Falls zu mir ein Elternteil kommt, egal aus welcher Altersklasse, und um ein Gespräch über die Schule oder über schwierige private Situationen bittet, weil die Eltern sich zum Beispiel scheiden lassen, sind wir immer gesprächsbereit. Beim Schulwechsel, gerade bei den fünften oder sechsten Klassen, rate ich lieber mit der Pädagogin zu sprechen, die kann hier besser helfen. Oft geht es bei den Elternfragen auch darum, auf welche Schule soll man gehen? Ist es besser auf die Eliteschule zu gehen, oder hat das Kind schon jetzt schulische Probleme und schafft es gerade mal so. In Gesprächen kristallisiert sich dann heraus, Eltern würden den Sohn gern im familiären Umfeld lassen. Oft hört man dann, er kann seine Hausaufgabe mit uns machen und kommt dann zum Training. Wir sagen dann immer, das müssen sie als Familie entscheiden. | |
Sportali | Es ist keine Bedingung, dass die Kinder bei ihnen die Eliteschule besuchen? | |
Roy Matthes | Nein, wir sind zwar Partner in diesem Projekt, sehen es auch gerne, wenn sie auf diese Schulen gehen. In Einzelfällen macht aber auch keinen Sinn. Ein U-11 Spieler, der aus Bad Aibling kommt, fährt 40 Minuten einfach zum Training, das ist machbar. Um 16.00 Uhr fährt man von zu Hause weg, dann ist es 16.40 und bis 18.30 ist Training. Kurz vor sieben fährt man wieder nach Hause und ist um halb acht wieder daheim. Sage ich, du musst auf die Eliteschule gehen, die um 8.00 Uhr angeht, dann muss er zuerst mehrere Verkehrsmittel benutzen. Für den Spieler aus Bad Aibling heißt es, er muss vor sieben Uhr in den Zug steigen und deshalb um sechs Uhr aufstehen. Den ganzen Tag Eliteschule und mit Training kommt er hier um 19.00 Uhr raus. Wenn Eltern aus beruflichen Gründen nicht in der Lage sind ihn abzuholen, dann fährt er Abends mit dem Zug und Bus heim und ist um halb neun zu Hause. Einem Jungen das anzutun, nur weil er auf die Eliteschule geht, das wär die falsche Lösung, das macht keinen Sinn. Das Pensum wäre höher als bei einem Erwachsenen. Aber wenn jemand an der Grünwalder Straße 180 wohnt, dann bietet es sich förmlich an. |
Sportali | Für dieses ausführliche Interview möchte ich mich ganz herzlich bei ihnen bedanken. Eine Frage drängt sich mir allerdings noch zum Schluss auf. Mich würde interessieren, wie der Mensch Roy Matthes bei soviel Fußballverantwortung die innerliche Balance halten kann? | |
Roy Matthes | Ich versuche auch Zeiten für mich und meine Familie außerhalb des Fußballs zu finden, auch wenn das oft sehr schwierig ist. Aber beim Sport oder in der Natur kann ich sehr gut abschalten und die Energie sammeln, die ich auf dem Fußballplatz brauche. Ich hoffe, ich konnte einige interessante Einblicke in die Ausbildung bei den Junglöwen gewähren und bedanke mich auch recht herzlich. | |
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