Roy Matthes betreibt tranparente Jugendarbeit
Stillstand ist für uns Rückschritt
Mit Roy Matthes von 1860 München sprach Chefredakteurin Cornelia Tittmann.
Sportali | Wollen sie kurz erzählen, wie sie an die Isar gekommen sind? | |
Roy Matthes | Eher zufällig bin ich hier bei den Münchner Löwen gelandet. Ich war auch kein Fan von 1860 oder Bayern, was mich hierher geführt hätte. Es waren rein persönliche Gründe. Ich fiebere zwar mit jedem Sechzigspiel mit, aber während meines Studiums habe ich bei Werder Bremen die ersten Berührungen mit Profifußball gehabt. Damals haben die Bremer erfolgreichen Fußball gespielt. Champions League gegen Chelsea und Barcelona, und das bringst du nicht mehr aus dir heraus. Das prägt dich irgendwie. | |
Sportali | Blutet ihr Fußballerherz, wenn sie sehen, was derzeit bei Werder los ist? | |
Roy Matthes | Jeder Verein macht Höhen und Tiefen durch. Es lief jetzt in Bremen sehr lange Zeit alles gut. Und ich denke, sie kommen da auch irgendwie wieder heraus. Daran glaube ich fest. | |
Sportali | Kommen wir zu 1860 München zurück. Was für Ziele verfolgen Sie und welche Ansprüche haben Sie an ihre Jugendarbeit? | |
Roy Matthes | Unser oberstes Ziel ist es möglich viele Spieler zum Profifußballer auszubilden. Das schaffen nur wenige Spieler. Nur die Stärksten können sich durchsetzen. Das übergeordnetes Ziel hier bei Sechzig ist, mindestens einen Spieler pro Jahrgang durchzubringen. Und die Bilanz lässt sich doch sehen: Alleine im 89-Jahrgang haben es mit Lars und Sven Bänder, Timo Gebhart und Manuel Schäffler gleich vier Spieler von uns geschafft. Gut, das war der goldene Jahrgang. Aber nehmen sie Moritz Leitner und vorher Christian Träsch, das sind alles Spieler, die unsere Ausbildung durchlaufen haben. Dieses Niveau wollen wir halten. Was extrem schwer ist. In der derzeitigen A-Jugend haben wir wieder drei Spieler im Kader, die es schaffen können. Wenn du mit 17 Jahren in der Bundesliga spielst und das Team auf diese zwei bis drei Spieler einfach nicht mehr verzichten kann, ist es in der Regel so, dass sie in den nächsten Jahren locker in der dritten Liga mitspielen können. | |
Sportali | Viele Juniorenspieler träumen irgendwann davon, bei 1860 München zu spielen. Wie überzeugen Sie die Eltern davon, ihren Nachwuchs in ihr Leistungszentrum zu schicken? | |
Roy Matthes | Bei circa 80 Prozent der Eltern brauche ich keine Überzeugungsarbeit leisten. Sie sind Feuer und Flamme, sobald der TSV anruft. Natürlich, sie sehen sofort, dass bei uns qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Die Eltern sehen bereits im Probetraining, den Trainingsunterschied des TSV 1860 zum SC Fürstenfeldbruck. Da sieht man das hohe Spieltempo, da stehen zwei Trainer draußen. In Fürstenfeldbruck ist es vielleicht nur ein Trainer. Da kann man auch jeden anderen Verein als Beispiel nehmen. In Poing sind vielleicht nur zehn Spieler im Training, zwei sind im Schullandheim, zwei sind krank. Bei uns sind fast immer alle da, wenn sie sich nicht gerade ein Bein gebrochen haben und dann Reha machen. Unsere Eltern wissen, bei uns kann eine kostenlose Nachhilfe oder Hausaufgabenbetreuung in Anspruch genommen werden. Neben der sportlichen Ausbildung bieten wir bei schulischen Problemen die Hilfe unserer hauptamtlich angestellten Pädagogin an. Das alles sind schon Sachen, mit den man überzeugen kann. | |
Sportali | Die Schulausbildung ist ein wichtiger Faktor. Haben Sie ein Supertalent schon mal abgelehnt, nur wegen schlechter schulischer Leistungen? | |
Roy Matthes | Wenn es ein Spieler nicht hinbekommt, sich in der Schule angemessen zu verhalten, kommt das schon mal vor. Wenn er seinen Mathe- oder Englischlehrer anpöbelt und über sechs Wochen keine Hausaufgaben macht und wir nicht mehr an ihn herankommen, dann macht es irgendwann keinen Sinn mehr.Auch dann nicht, wenn es ein Leistungsträger im Team ist. | |
Sportali | Ein Problem sehe ich in dem Überangebot an Kindern und Jugendlichen. Sie kommen und gehen. Geben sie sich sozusagen die Türklinke in die Hand. | |
Roy Matthes | (Roy Matthes lacht) Das ist aber sehr provokativ..... | |
Sportali | Ich habe mir ihre Mannschaftsfotos angesehen und mit denen der Vorjahre verglichen. Zum Beispiel die Gewinner vom Merkur Cup waren im darauffolgenden Jahr nur noch mit fünf oder sechs Spielern vertreten. | |
Roy Matthes | Das muss ich relativieren. Das ist nicht so, dass sich die Spieler bei uns die Klinke in die Hand geben. Im Schnitt verlassen uns am Ende einer Spielsaison pro Mannschaft zwei Spieler. In der U11 haben wir einen Kader von elf Feldspielern und einem Torwart. In der U15 habe ich einen Kader von zwanzig Spielern. Davor war es ein Kader von Dreizehn. Ich muss alleine deswegen schon aufstocken. Hinzukommt die Verletzungsanfälligkeit steigt. Natürlich brauch ich einen breiteren Kader um den Konkurrenzdruck zu erhöhen. Das heißt, ich gehe von dreizehn auf zwanzig Spieler, wenn man es so nimmt habe ich da schon 35 Prozent Spieler dazugeholt. Wenn ich dann noch von dreizehn Spielern im Laufe von vier Jahren von der U11 auf die U15 rechne, dann sind es auf einmal nur neun Spieler, da ja die Spieler in der U11 schon da waren. Jetzt habe ich einen Quotensatz von 55 Prozent. Auf den ersten Blick eine sehr große Zahl. Im Endeffekt zählt der Profikader von 25 Spielern, davon kommen in der Regal vier aus der eigenen Jugend. Das sind je nach Jahrgang 20 bis 25 Prozent und damit haben wir unser Ziel erreicht. | |
Sportali | Kommen wir zu einem anderen Thema. Ihr Leistungszentrum muss finanziert werden und jeder weiß, das momentan überall eingespart werden muss. Wie sieht es damit im Jugendbereich von 1860 München aus? | |
Roy Matthes | Sagen wir es so: Falls entschieden wird, wir füttern die Jugend mit 20 Prozent weniger, dann muss ich sagen, macht sich das deutlich bemerkbar. Jetzt sind wir finanziell an einer gewissen Grenze angelangt. Will man die Qualität weiter aufrechterhalten, kann man nicht weiter herunterfahren. Das würde sich sofort auf die angestellten Trainer niederschlagen. Weitere Folgen wären: Die Teams könnten zum Auswärtsspiel vielleicht nicht mehr mit dem großen Bus fahren oder die U17 nicht mehr übernachten. Wenn wir mit der U17 nach Frankfurt fahren, dann übernachten wir dort, weil wir uns einfach ideal vorbereiten wollen. Bei Einsparungen müsste ich dann sofort an den größeren Posten einsparen. | |
Sportali | Ist der Jugendetat mit dem der Profis gekoppelt? | |
Roy Matthes | Natürlich schaut man, wo man was investiert. Fahren zum Beispiel die Profis im Winter nicht ins Trainingslager und ich entscheide dann aber mit der U17 fahren wir, weil wir einen getrennten Etat haben, dann ist das natürlich ein Bild nach außen, was ich nicht verkaufen kann. Die Profis sind irgendwo schon übergeordnet und ich achte darauf. Letztendlich aber kann ich entscheiden, für was ich mein Budget einsetzte. | |
Sportali | Fortsetzung taks Interview 2>. | |
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